Dienstag, 31. Juli 2018

Die Anderen (Satire, Gedicht, politisch)


Die Anderen
(Satire, Gedicht)

Die Anderen sitzen auf dem Sofa und essen Pizza.
Betrachten die Bilder in der Flimmerkiste.
Sie sind fasziniert ob des Elends der Ertrinkenden,
zerrissen von Bomben, oder vergiftet von den Mächtigen.
Spekulanten setzen auf Kriegsgewinne,
während Hilfsorganisationen versuchen, die Not zu lindern.
Dies ist das Spiel um die Macht,
ausschließlich von Dämonen erdacht.
Nicht von normalen Menschen, die doch völlig ohne Macht.
Sie können nichts dagegen tun,
deshalb sitzen sie auf dem Sofa und essen mit Bedacht.
Während Bruder und Schwester versinken in Hass.
Verführt, entführt, geköpft, zerbombt,
durch heiße Wüsten ziehen, um der Not zu entfliehen.
Elende Hitze, kein Wasser, keine Nahrung,
doch das Ende des Spiels ist nicht das Ziel.
Und es kann sein, dass es auch die auf dem Sofa erwischt.
Dann laufen sie genauso wie ihre Geschwister
fort vor dem Elend, gehetzt und panisch.
Aber womöglich gibt es dann nichts mehr in dieser Welt,
denn das Spiel um die Macht ist nur ein Spiel um Geld.
Vergiftete Pflanzen, verseuchte Gewässer,
kein Fisch in den Meeren und an Land ist es nicht besser.
Dann, ja dann, vielleicht oder auch nicht,
werden sie zu Geschwistern im Angesicht,
oder zu jemanden, der den anderen ersticht.
Dann können sie sich fragen, wo die Blumen geblieben.
Auf nicht vorhandenen Gräbern,
da die Menschenströme versiegen.
Leer und wüst ist dann der Planet.
Und die Erinnerung an das prächtige Leben verebbt.
Aber die Macht der Worte will keiner nutzen,
stattdessen entscheiden sie sich, die Waffen zu putzen.
Dabei wäre ein einfaches ›Nein‹ schon genug.
Aber es fehlt der Wille, angesichts der Gewinne,
und das Leben des Einzelnen zählt nicht viel,
geschweige denn das der Tiere,
denn das ist der Zweck des grausamen Spiels.
Es treibt seinen zerstörerischen Keil in die Liebe,
verteilt stattdessen nur schmerzhafte Hiebe.
So verbannen sie die Verantwortung aus ihrem Leben
und tun so, als würde es das ganze Elend nicht geben.
Als Ausgleich tragen sie Kleidung aus Kambodscha und Vietnam,
Potentaten profitieren daran.
Genäht von halbtoten Frauen und Kindern,
in baufälligen Hallen unter glühend heißem Himmel.
Giftig bis in die letzte Faser,
auch für die, die sie anschließend tragen.
Natürlich bedauern sie das Elend in den Fabriken,
wollen aber nicht darauf verzichten.
Denn Mode ist wichtig für das Selbstverständnis.
Die Höhe des Preises hat aber seine Grenzen.
In der Arena der Eitelkeiten wollen sie in Ruhe damit protzen.
Sie schließen einfach die Augen,
vor den schrecklichen Bildern in der Glotze.
All dies ist weit fort und tangiert sie im Grunde nicht,
aber sie machen besser die Grenzen dicht.
Denn die Parole lautet ›bei uns nicht‹.
Dann sitzen sie in Ruhe auf dem Sofa und
betrauern die Welt,
bis zur nächsten Show, die bringt mehr Geld.
Die Anderen.

Copyright L. E. W.

Der Tag - Lyrik (#Lyrik, #Gedicht, #Lesen, #Autorenleben, #Laraelaina)



Der Tag

    Der Tag erhebt sich,
aus dem Bett seiner Geliebten,
der Nacht.
Gelöst aus ihrer dunklen Umarmung,
vom Feuer der Sonne
entfacht.
Anfangs träge, nur ein schwacher
Schimmer.
Lächelnd zur morgendlichen
blauen Stunde,
erklimmt er die Höhen des
Himmels.
In bläulichem Leuchten
ein letzter Kuss,
für die dunkle Geliebte,
Erinnerung an Genuss.
Lässt er sie versinken
in seinem strahlenden Leben.
Sein letzter Blick
bringt sie zum Erbeben.
Mit einer Hymne
beginnt er sein Werk.
Die Geschöpfe der Welt
schenken ihm ihr Herz.
Seine glühende Mutter,
hoch oben am Firmament,
sieht stolz zu wie ihr Sohn
mit seiner Lichtflut
den Erdenball überschwemmt.
Das Leben erblüht
unter den Kaskaden von Strahlen,
die kurzen Schatten flüchten
in scharf umgrenzten Kanten.
Gleißende Helligkeit,
gespiegelt in seinem
leuchtenden Antlitz,
verbreitet er glitzernd
schläfrige Trägheit in der Hitze.
Voll Intensität
schreitet er voran,
braust über Länder, Ozeane,
Städte und Wälder,
doch allmählich
werden seine Schatten
wieder lang.
Sanftmut kehrt ein
in sein stürmisches Wesen.
Sehnsucht erfasst ihn
nach der Kühle der Geliebten.
Ihre dunklen Finger
greifen nach ihm,
ziehen ihn lockend hinüber
in ihr Reich der Finsternis.
Ermattet von seinem Werk
sein Leuchten versinkt,
bedachtsam, sanft
in rötlichem Licht.
Ein letztes Aufblitzen,
lange Schatten,
in erlöschendem Nichts.
Sinkt er müde
in die schützenden Arme
seiner Geliebten,
der Nacht,
die ihn erneut bettet
in ihrer samtenen
Sternenpracht.

Copyright L. E. W.

Freitag, 27. Juli 2018

HEUTE






HEUTE


Gestern ist das Heute
von vor ein paar Stunden.
Und Morgen,
noch nicht geschehen,
ist das Heute
in vielen Sekunden.
Das Heute jedoch
ist das Hier und das Jetzt.
Ist der Augenblick, den das Leben besetzt.


copyright Lara Elaina Whitman

Donnerstag, 5. Juli 2018

Himmelsschach (#Kurzgeschichte #Sweek Mikrofiction)



Himmelsschach

Engel Nathaniel betrachtete mit trauriger Miene das imposante Spielfeld inmitten der Wolken. Viele der himmlischen Schachfiguren waren schon zerstört oder vom höllischen Gegner übernommen worden. Es sah nicht gut aus.
Nebelschwaden zogen jetzt in seine Richtung. Nathaniel hustete. Stickoxide bissen ihn in die feine Engelsnase und Rußpartikel legten sich wie Klebstoff auf seine weißen Flügel. Autoabgase. Unwillig schüttelte der Engel die Federn aus. Warum musste ausgerechnet er den blauen Brief überbringen? Mit ruhigem Blick sah er der dunklen Gestalt entgegen, die langsam aus dem Nebel trat und diesem dabei eine schwefelige Note hinzufügte. Nathaniel rümpfte angewidert die Nase, beherrschte sich dann aber.
»Hesekiel! Dachte mir schon, dass du geschickt wirst.« Der Engel warf einen abschätzenden Blick auf die Dämonin aus dem fünften Kreis der Hölle. Sie war wie immer verführerisch gekleidet.
Hesekiel lächelte lasziv. »Engel Nathaniel! Bereit zum Überlaufen? Genug vom Verlieren?« Die Dämonin stolzierte mit langsamen Bewegungen um den strahlenden Himmelsboten herum und schnupperte genießerisch an seinen Flügeln. »Du riechst wirklich verlockend.«
Nathaniel ersparte sich eine Antwort. Mit einer kurzen Handbewegung zog er den blauen Brief aus der Gesäßtasche seiner Jeans und reichte ihn der Dämonin.
»Das ist vom Allerhöchsten persönlich. Zieht eure Lobbyisten zurück. Die Menschen sollen beweisen, dass sie ohne eure Einflüsterungen die richtigen Entscheidungen treffen.«
»Ach, du glaubst diesen Blödsinn doch nicht etwa? Die Menschen sind gierig, bekommen nie genug. Dieser Brief ist nur ein Aufschub. Ihr habt die Schachpartie wieder einmal verloren, mein süßer Gutengel? Die Seelen der Menschen gehören uns.«

Ersatzteile (Kurzgeschichte)

Ersatzteile (#Mikrotür) - meine Kurzgeschichte zum aktuellen #Sweek-Wettbewerb


Der Werbespot flimmerte über den großen Bildschirm in allen erdenklichen Farben. Die Lautstärke war auf Maximum gedreht.
»Hammer!«, sagte Egon und deutete mit krummem altem Finger auf den Spot der Medibot Company. »Seht, die verlosen schon wieder ein Hüftgelenk. Könnte eines gebrauchen. Meines ist scheiße. Dabei ist es nicht einmal ein Jahr alt. Die haben ein Verfallsdatum eingebaut.«
»Ja, meines auch. Ist deines auch von Plasticorps?« Werner, sein bester Kumpel rieb sich die schmerzende Hüfte.
»Ja. Totaler Mist. Dabei habe ich meine letzten Coins dafür ausgegeben.«
»Die Dinger waren früher besser. Meine gezüchtete Leber funktioniert aber gut. Hat mir meine Tochter zum Geburtstag geschenkt. Sie will, dass ich einhundertfünfzig Jahre alt werde. Ist das nicht lieb?« Ilona lächelte zahnlos.
»Da kannst du dich aber glücklich schätzen, dass deine Elisa bei dem Hersteller arbeitet. Die biologischen Ersatzteile sind normalerweise unbezahlbar. Nur was für Reiche.«
»Da sagst du etwas Wahres, Werner. Ich bewerb mich jetzt für das Hüftgelenk. Mir reicht es. Ich will wieder selbst laufen können. Mit dem uralten Carryboy komme ich ja kaum noch durch die Tür. Der ist genauso unbeweglich wie ich. Die Gelenke knacken richtig, wenn er mich hochhebt.«
»Dann bewerbe ich mich auch. Und ihr? Was ist mit euch?« Werner richtete seine trüben Augen auf die Altenheim-Mitbewohner.
Mühsam hoben alle ihren rechten Arm. Die Erfassung erfolgte automatisch über das Interactive Tool des Aufenthaltsraumes. Der Zählerstand, der am großen Monitor angezeigt wurde, tickte ein paar Zahlen nach oben.